Ein Wald voller Kinder: Ein Besuch im Schernfelder Forst
03.05.2023 | Stand 03.05.2023, 5:00 Uhr
Alte,
farbenfrohe Bettlaken wandern durch kleine Kinderhände und werden mit Mühe über Unterstände und Nadelbäume geworfen und mit Stöcken und Baumscheiben beschwert. Darunter entstehen für die
„Waldwichtel“ Lager. Die durch die Laken scheinende Sonne taucht die eifrig-freudigen Gesichter in rot-lilafarbenes Licht. So beginnt ein Tag für die Kindergartenkinder im Schernfelder Forst.
Dass sich das Konzept „Waldkindergarten“ wachsender Beliebtheit erfreut, bestätigt Leiterin Marie Finsterer. Am 3. Mai ist Internationaler Tag des Waldkindergartens, eine Auflistung der
Einrichtungen hat das Landratsamt Eichstätt unserer Zeitung auf Anfrage zur Verfügung gestellt.
Die Schernfelder „Waldwichtel“ gibt es seit 2009, seit 2012 ist die Gemeinde Träger. Für Marie Finsterer ist „jedes Kind ein Waldkind“. Manche Eltern zweifeln, dass ihr Kind in einem
Waldkindergarten gut aufgehoben ist. Die ganze Zeit draußen? Bei Minusgraden, Regen und Matsch?
Trotz Frühlingssonne tragen die Kinder an diesem Tag „Zwiebellook“ – mehrere Schichten übereinander –, Funktionskleidung und Mützen. In der Mitte des großen Platzes brennt ein Feuer.
Zwischendurch schaut immer mal wieder ein Kind vorbei, um sich die Hände zu wärmen. In den Bäumen hängen selbst gebastelte Windspiele aus Wolle, Kastanien und Stöcken. Plötzlich läuft eine Maus
unter den Bauwagen. Das ist Frederick. Manchmal gibt es auch „rumrasende Babymäuse“, erzählt Finsterer.
Die 34-Jährige leitet den Kindergarten seit 2015 und für sie ist dieser Job „eine Berufung“. Wenn Gemeinden Waldkindergärten als kostengünstigere Alternative zum Regelkindergarten sehen, sollten
sie beachten, dass es auch das Personal braucht, das den nötigen Idealismus mitbringt: „Man ist den kompletten Umwelteinflüssen aufgesetzt. Das halten nicht alle aus.“ Die, die es aushalten,
würden bleiben und seltener die Arbeitsstelle wechseln.
An diesem sonnigen Frühlingstag sind auf dem weiten, gut einsehbaren Platz fünf pädagogische Mitarbeiter im Einsatz. Für 21 Kinder – viele sind mit ihren Lagern so im Bauen und Spiel vertieft,
dass sie vor Anstrengung ihre Jacken und Mützen ausziehen. Andere basteln vor der Hütte „Fuchsbau“ und Timo zeigt stolz die Hütten, Unterstände und Bauwagen her. Eine Erdbeerpflanze hat der
Sechsjährige in einen Emaille-Topf gepflanzt und in einem Schrank deponiert. Am besten am Waldkindergarten gefällt ihm, „dass er so viel arbeiten kann“. Damit meint er: Feuer machen, Holz und
Hackschnitzel holen oder Bänke hertragen.
Heidi mag es, dass sie im Wald so viel spielen kann und ihr kleiner Bruder Vitus da ist: „Der macht immer so viel Quatsch.“ Paula freut sich, wenn sie mit Hanna im Feenlager ist. Fichten-, Hexen-
und Vorschullager gibt es auch noch.
Es gibt Eltern, die befürchten, dass ihr Kind im Wald nicht ausreichend auf die Schule vorbereitet wird. Die Zweifel kann Marie Finsterer nehmen: „Wir bekommen von der Grundschule Schernfeld die
Rückmeldung, dass sie keinen Unterschied feststellen können zwischen Regel- und Waldkindergartenkindern.“ Und sie ist überzeugt: „Die Verbindung zur Natur ist wahnsinnig gut für die Entwicklung.“
Ein Gegenpol zur Technisierung und Digitalisierung und gut für die Sinne.
Ein Lied ertönt, die Mitarbeiterinnen singen. Alle Kinder kommen nach und nach und setzen sich auf Baumstämme. Ein Gong ertönt zum Morgenkreis und dann ist es erst einmal still. Fast still.
Vogelstimmen sind zu hören, die Kinder lauschen dem Wald. Danach schauen Levin und Antonia, wer heute da ist, und legen Steine mit den Kindernamen auf eine große Baumscheibe. Nach dem Sonnen- und
dem Schweine-Lied sollen die Kinder Hände waschen. Das Handtuch ist auf dem Kopf griffbereit, das Wasser kommt aus dem Kanister. Auf dem Waldboden bilden Sitzkissen einen Kreis, die Kinder setzen
sich zur Brotzeit. Dazu Lagerfeuer-Knistern. Später dürfen die „Waldwichtel“ über dem Feuer noch Würstl grillen, erzählt Timo. Und: „Ich bin der Grillmeister.“
EK
Ökokids-Projekt 2019
(zum Artikel geht es über den Button unter dem Bild)
Vom 9.09.2019
Franz Bauer